Dienstag, 15. Mai 2012

Tag Nr. 1


Hallo zusammen. :)

Ich bin ja nun bereits zwei Tage auf dieser Schule für Kranke. Aber ich will hier wenigstens halbwegs chronologisch vorgehen, also berichte ich euch jetzt von Tag Nr 1.


Ich war so furchtbar nervös, dass ich die ganze Nacht kein Auge zu getan habe und mich wach in meinem Bett hin und her gewälzt habe. Man sollte dazu sagen, dass es den Vorteil hat, dass man nicht zu spät kommt, wenn man sich nicht allzu dumm anstellt...
Trotzdem ist es nicht ratsam, übermüdet zum ersten Tag anzutanzen, wenn man sowieso vor Nervosität so fahrig ist, dass man fast vergisst, seine Brille (ohne die man halb blind ist) aufzusetzen. Kein Scherz.

Um aber zum interessanteren Teil zu kommen:
Da wir etwa um sieben Uhr losgefahren waren - ja, ich bin faul und verwöhnt und werde gefahren - kamen wir überpünktlich um zwanzig vor Acht an.
Da aber weit und breit keiner zu sehen war, der aussah, wie ein Schüler, musste ich mich sofort fragen, ob ich vielleicht doch etwas falsch verstanden hatte, die Schule später anfing, heute zu war oder ähnliches. Das wurde nur noch dadurch verstärkt, dass die Eingangstür abgeschlossen war und meine Mutter winkend davonfuhr.
Ich entschloss mich, einfach mal dort stehen zu bleiben und zu warten. Irgendwer musste ja irgendwann vorbei kommen und notfalls hatte ich ja ein Handy mit. Ich stand also in Shirt und dünner Jacke im Regen und wusste nicht, ob meine Knie vor Kälte oder Aufregung zitterten.
Durch die Glastür, hinter der zwei Treppen, eine nach oben, eine nach unten, liegen, konnte ich im unteren Stockwerk einen Jungen mit einer Gießkanne rumlaufen sehen.
"Ein Angestellter? Dann sind die doch schon da? Oder ist das nur der Gärtner? Soll ich mal klopfen?"
Ich klopfte tatsächlich zaghaft mit blau angelaufenen Fingern gegen die Scheibe und - nichts. Ich glaube, man hat es nicht mal gehört. :D
Allerdings schickte das Schicksal ein paar Minuten später eine Frau - Lehrerin, nehme ich an - den Weg an der Glastür vorbei, wo sie mich tatsächlich stehen sah und einließ.
"Die Schüler gehen normalerweise hinten rum, über den Schulhof", sagte die und musterte mich skeptisch. Das hätte mir auch jemand früher sagen können! "Welche Gruppe bist du denn?"
"Hä? Äh... Ich... Erster Tag heute...", murmelte ich mit Piepsstimme und nestelte unbeholfen an meinen Jackenärmeln herum.
Die Frau nickte und schickte mich mit einem nachsichtigen Lächeln, so schien es mir jedenfalls, die Treppe runter, wo ich mit den anderen auf den Unterrichtsbeginn warten sollte.
Nebenher spürte ich die bereits allzu vertraute Übelkeit, die mich immer plagt, wenn ich nervös bin, mich überfordert fühle oder wenn generell irgendwas ist. Also eigentlich ist mir immer übel.

Doch statt direkt mit den anderen Schülern konfrontiert zu werden, sah ich gähnende Leere in der kleinen Halle. Wie ich jetzt weiß, trudeln die alle erst ab acht Uhr, manchmal etwas später ein.
Die einzigen, die ich bemerkte, waren der Typ, den ich vorher mit der Gießkanne gesehen hatte, in einem kleinen Abstellraum, wo er vermutlich die Gießkanne wegräumte, und zwei Lehrer die sich im Gang unterhielten. Da ich die schon von meinem Kennenlerngespräch her kannte, ging ich also entverspannt auf die beiden zu und blieb ein wenig unschlüssig zwei Meter entfernt stehen. Zum Glück, wurde ich aber gleich erkannt - "Ach, du bist *DeadSide hält ihren Namen geheim*, die Neue, nicht?" - und musste selbst nicht viel sagen, außer Ja und Amen.
"Komm dann einfach, wenn's losgeht, in den Raum, dann klären wir alles und du kriegst deinen Stundenplan, solange kannst du dich noch setzen, okay?", meinte der Mann.
Ich stimmte zu und setzte mich auf die kleine Bank, die im Flur steht und versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich am liebsten wieder schreiend rausgerannt wäre.
Ob es doch aufgefallen ist - ich würde jetzt mal spontag auf JAAA!!! tippen -, weiß ich nicht, aber keine Minute später, setzte sich der Gießkannentyp zu mir und sprach mich ohne zu zögern an.

Kennt ihr das, wenn Menschen einfach nur nett sind? So richtig nett? Nett, ohne Vorbehalt, einfach offen und NETT?
Das ist so einer. Kennt ihr das, wenn ihr mit jemandem redet und euch noch in den ersten fünf Minuten klar wird, da sitzt ein potenzieller bester Freund auf Lebenszeit vor euch?

Ich hab dann jedenfalls erfahren, dass er nicht der Gärtner ist, sondern ebenfalls ein Schüler, der dort aus ähnlichen Gründen ist, wie ich.
Seinen Namen will ich hier auch nicht nennen, darum kürze ich es galant auf G. (Gärtner :D)

Dank G. verlief der Einstieg ins Schulleben also eigentlich ziemlich gut. Während wir geredet haben, hat mich das total abgelenkt und ich konnte meine Nervosität ein paar Minuten verdrängen, was mir echt gut getan hat.
Nebenbei hab ich ein paar wichtige Fakten über die Schule erfahren.

1. Dienstags ist Schwimmen.
Urgh. Gehts noch schlimmer? Ich hasse Sport an sich, aber schwimmen war ich seit Jahren nicht. Ich hasse meinen Körper, ich will nicht in Badeklamotten vor anderen stehen, ich... ich will das einfach nicht.
Aber G. hat mich gleich beruhigt, indem er sagte: "Die meisten denken hier so, für die ist das das selbe. Wir sind ja alle mehr oder weniger wegen den selben Sachen hier."
Und... wo er Recht hat, hat er Recht. Ich bin in dieser Schule nicht mehr kategorisch der Außenseiter, sondern nur einer von vielen, die alle so eine Scheiße oder schlimmere durchmachen mussten, wie ich. Trotzdem...

2. Am besten die eigenen Schulbücher mitbringen, damit man damit arbeiten kann.

3. In dieser Schule geht es drunter und drüber, mal sind nur fünf Leute da, mal werden Gruppen umsortiert, Fächer anders gelegt. Die Atmosphäre ist verdammt entspannt und es ist kaum Druck da.

Während des Gesprächs trudelten nach und nach immer mehr Leute ein. Mit den anderen hab ich nicht wirklich gesprochen, einfach nur vor mich hin gelächelt, obwohl ich ziemlich sicher bin, dass es sehr aufgesetzt und falsch wirkte.
Immerhin war ich ruhiger, ich klammerte mich einfach an den Gedanken, dass alles besser wäre, als meine alte Schule.

Nur kurz darauf, als die meisten endlich eingetroffen waren, saß ich auch schon in einem kleinen Raum, in dem eine ganze Wand verglast ist und man den Schulhof sehen kann, und sollte dem Herrn Lehrer - dessen Namen ich hier natürlich auch nicht nenne, genannt wird er hier Herr W. - erklären, wie ich denn zu ihm gekommen war und weshalb und wieso und warum und bla eben.
Ich hab einfach kurz gesagt, ich sei depressiv und meine Schule sei Schuld. Ganz ehrlich, ich hab das so oft erzählt, langsam langt's.
Natürlich hat ihm das aber nicht gereicht und ich sollte es genauer beschreiben. Aber genau gesagt, hab ich keine Ahnung. Wenn ich wüsste, woran alles liegt, dann wäre ich längst wieder gesund. Also versuchte ich irgendwie das zu sagen, was er hören wollte - dumme Angewohnheit von mir.
Letztlich lief es darauf hinaus, dass an meiner Schule eine "Friss oder Stirb"-Mentalität herrscht, aber ich glaube, das hat er nicht so aufgeschrieben, sondern irgendwas von wegen zu viel Druck und unpersönlicher Atmosphäre, Unverständnis gegenüber Krankheiten und so.

Nachdem ich also mich erklärt hatte, war Herr W. an der Reihe, mir ein wenig mehr über die Schule zu erzählen.
Wichtiges Thema: Schwimmunterricht.
Hier hab ich zum Glück gleich gesagt, wie es ist und dass ich mir nicht vorstellen kann, dabei mitzumachen, weil wegen Komplexen und so.
Wir haben uns also darauf geeinigt, dass ich das nächste Mal (diese Woche ist das Schwimmbad zu) mit Straßenklamotten mit hineingehe, mich dort irgendwo hinsetze und mir den Spaß mal ansehe, damit ich ein Bild von der Situation habe und konkret sagen kann, was ich mir zutraue und was nicht.
Desweiteren haben die mit dem Schwimmbad abgesprochen, dass es okay ist, ein sauberes langes T-Shirt beim Schwimmen anzubehalten, was für mich immerhin sowas wie eine Notlösung wäre.

Eingeteilt wurde ich übrigens in Gruppe Vier. Es gibt auch nur vier Gruppen.
Aber das variiert halt manchmal.
Zum Beispiel kann ich bis Donnerstag - wo ja Feiertag und frei ist, Freitag ist Brückentag, also auch frei, dann eigentlich bis Montag - nicht in meine eigentliche Gruppe, da die Leiterin sich seit Wochen auf eine Stunde vorbereitet, die sich ihr Chef dann ansehen und bewerten wird und es wäre schwierig mich da noch auf die Schnelle mit einzubringen. Ist mir auch lieber, wenn ich das nicht machen muss, um ehrlich zu sein.

So wurde ich, nachdem klar war, warum ich dort war, was man von mir zu erwarten hatte, was ich von der Schule zu erwarten hatte ("Wenn irgendwas ist, egal was, dann sag mir oder einem meiner Kollegen das, dann können wir besprechen, wie wir helfen können!") und nachdem ich ins Computersystem eingetragen war und meinen Stundenplan ausgehändigt bekam, also nicht in meiner Gruppe untergebracht, sondern blieb bei Gruppe Drei sitzen, die mit der Lehrerin und den vier Schülern - G. war auch dabei - gerade Englisch machte. Die hatten sich einfach in den Raum geschlichen, während wir mich am Computer ins System eintrugen ;D
Statt aber mit ihnen mitzumachen, durfte ich mir ein paar Matheaufgaben angucken, weil ich von vorneherein klar gemacht hatte, dass ich dieses Fach hasse wie die Pest nicht zu meinen besten zähle.
Allerdings war auch das nicht weiter schlimm, da ich es ganz in Ruhe machen konnte und niemand erwartet hat, dass ich die Scheiße in Null Komma Nichts ausgerechnet habe.
Bei Fragen und Unklarheiten konnte ich nachfragen, was ich in meiner alten Klasse nie gemacht hätte. Meine Fragen sind nämlich manchmal echt Erstklässler-Niveau oder tiefer...
Aber so lief es gut, ich hatte sogar massig richtige Ergebnisse! Fünf oder so...

Der Schultag war schneller rum gewesen, als ich gedacht hatte.
Aber wenn man normalerweise zwölf Stunden gewöhnt ist, dann sind zwei gar nichts, vor allem, wenn es zwischendurch nicht klingelt und einem nicht jede einzelne Minute, wie eine Höllenqual vorkommt.

Das einzige, was noch zu tun war, lag an meiner Mutter - die mich auch wieder abgeholt hat ^^ -, nämlich musste sie die Schule von der Schweigepflicht gegenüber meinen Ärzten entbinden. Naja, musste nicht, aber es ist praktischer, also was soll's.
Da ich dabei nicht gebraucht wurde, hab ich mich zu den Schülern (hauptsächlich aus Gruppe Drei, weil ich die ja nun schon... etwas kannte) auf den Schulhof gestellt und versucht Kontakt aufzubauen. Mit G. ist das ganz einfach, der Typ ist einfach herzensgut, das ist klasse!
Die anderen, besonders die Mädels, sind da wie ich, eher schüchtern, aber wir konnten trotzdem ein paar Worte wechseln und alle meinten, die Schule wäre schon okay. Von daher war ich schon etwas beruhigter und konnte schließlich auf der Rückfahrt sogar entspannt mit dem Radio mitsummen. :)


Es stimmt also. Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.


Eure DeadSide.

PS: Kopf hoch, sonst seht ihr die Sterne nur in den Pfützen gespiegelt ♥

3 Kommentare:

  1. Hey~

    Wow. Also wow, für deinen Mut, obwohl du so viel Angst hattest. Wow, für die Schule. Es hört sich irgendwie unheimlich angenehm an... Wow für den Gärtner ;) Ich hoffe, dass du dich mit dem anfreunden kannst! Denn dann bringt es sehr viel mehr Spaß, zur Schule zu gehen, weil man sich auf wen freut ♥

    Und das mit dem Schwimmen... Oh Gott. Ich kann dich so gut verstehen! Aber vielleicht bringt es auch Spaß :)
    Weil du dich bewegst und Bewegung tut eigentlich immer gut (muss ich sagen... ich Sofahocker... aber ich würde gerne wieder schwimmen gehen, trau mich nur nicht u//u')
    Und wenn du dir vorher anschauen kannst, wie das ist und was die machen, dann kannst du für dich ja auch abwegen, ob du nicht doch möchtest :3 Ich drück dir auf jeden Fall die Daumen!

    Liebe Grüße,
    Youna

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  2. Hallo! :D

    Also das hört sich doch schon einmal alles sehr nice an! (:
    Ich glaube an dieser Schule wirst du wirklich viel Spaß haben - ja, Spaß - und bestimmt wirst du dort auch ein paar gute Freunde finden. Gute Freunde. Die zu dir halten und dir in schwierigen Situationen helfen. Das würde ich mir nämlich voll für dich wünschen, denn das hast du echt verdient!
    G. hört sich doch richtig nett an, an den solltest du dich erstmal halten! (:

    Und ich bin mir sicher der Schwimmunterricht wird auch Spaß machen! :D

    Das packst du schon!
    Ray

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  3. Hey!
    Ich bins, Fallobst, ich bin zu faul, um hier irgendwas anders einzustellen... Naja.
    Erstmal - Wow, das hört sich... gut an. Irgendwie. Auf jeden Fall entspannt.
    Das mit dem Schwimmer kann ich gut nachvollziehen, ich hasse es auch. Zumal ich an einem kleinen Grundschultrauma leide, unser Schimmlehrer war ein echter Teufel. Der war erst zufrieden, wenn einer geheult hat. -.-
    Na gut, ich lese mal Tag zwei. Fällt mir ja früh auf... :D
    Lg,
    fallobst

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